Schulgottesdienst: Unser Kreuz hat keine Haken

Quelle: CD-Kaserne Celle

Celle ist bunt – der etwas andere Gottesdienst gegen Rechtsextremismus

Nicht nur in großen Städten sind sie zu finden. Auch hier bei uns in Celle gibt es Menschen mit nationalsozialistischer Gesinnung. Als Zeichen für Vielfalt und Toleranz findet in Celle alle zwei Jahre der Gottesdienst gegen Rechtsextremismus in der Stadtkirche statt.

Dieses Jahr ist vieles anders. Das betrifft auch diesen Gottesdienst. Ausfallen lassen ist keine Option. Das Thema ist viel zu wichtig. Denn Celle ist bunt! Und das soll gefeiert und gelebt werden.

Darum hat sich die Planungsgruppe, bestehend aus Susanne Mauk und Susanne Feldgen aus dem evangelischen Kirchenkreisjugenddienst Celle, Madalina Sundh, Sondervikarin an der BBS III und Michael Schröder, Lehrkraft an der OBS I Celle, zusammengesetzt und einen interaktiven Online-Gottesdienst auf der Plattform Padlet geschaffen, der aufklärt und einlädt. 

In Videos, weiterführenden Links und den Kommentaren wird über das Thema Rassismus gesprochen. Elemente eines Gottesdienstes, wie Segen und Gebet sind auch vorhanden. Es kann fleißig kommentiert und die eigenen Gedanken und Erfahrungen ausgetauscht werden.

Die Aktion hat am 16.11. begonnen und ist für alle Interessierten auf unbegrenzte Zeit frei zugänglich. 

Neugierig geworden? Dann einfach den untenstehenden Link nutzen und dabei sein.

Schulgottesdienst in der Stadtkirche Celle

Quelle: KKJD Celle

Interview im Schulgottesdienst in der Stadtkirche Celle

Schülerinnen interviewen Wilfried Manneke in einem Gottesdienst der Stadtkirche Celle. Der Gottesdienst wurde von 1000 Jugendlichen besucht. Thema: Unser Kreuz hat keine Haken - Gib dem Hass keine Chance.

Florence: Wir interviewen jetzt Pastor Manneke aus Unterlüß. Er ist im Kirchenkreis Celle Beauftragter "Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus" und setzt sich schon länger gegen Rechts ein.

Doro: Herr Manneke, im Film werden viele äußere Merkmale von Neonazis wie z.B. Bomberjacken und Springerstiefel genannt und erklärt. Gleichzeitig werden einige Einschränkungen vorgenommen. Gibt es von ihrer Seite aus dazu Ergänzungen oder möchten sie etwas anmerken.

Wilfried Manneke: Bomberjacken und Springerstiefel tragen Neonazis zwar noch bei ihren Aufmärschen und öffentlichen Veranstaltungen, aber sonst kaum noch. Sie haben gemerkt, dass dieses Outfit viele Menschen abschreckt. Im Alltag treten sie deshalb eben nicht mehr so militärisch auf. Sie greifen aber auch nicht einfach so in die Klamottenkiste. Viele besorgen sich Kleidung von Thor Steiner, Fred Perry oder Consdaple. Das soll sicherstellen, dass sie untereinander erkennbar sind. Es gibt ein aktuelles Buch mit Titel: Neonazis in Nadelstreifen. Die Autoren Andrea Röpke und Andreas Speit berichten darüber, welche Methoden Neonazis heute anwenden, um Mitbürger für ihre Ziele zu gewinnen.

Imke: Wenn man sich so einen Film wie den eben anschaut, dann geht man nicht gerade davon aus, dass man mit einem Nazi Tür an Tür wohnt. Das scheint eher (weit) entfernt zu sein. Wo sind denn in Celle rechtsextreme Brennpunkte zu finden?

Wilfried Manneke: Es gibt hier die Gruppe „Freie Kräfte Celle“. Diese Gruppe nannte sich bis vor zweieinhalb Jahren noch „Kameradschaft 73 Celle“, in Anlehnung an eine frühere SS-Standarte. Einen eigenen Bezug zur SS herzustellen, schafft natürlich nicht nicht nur Freunde. Das hat die Gruppe erkannt und sich in „Freie Kräfte“ umbenannt. Ihre politische Ausrichtung hat sich dadurch natürlich nicht geändert: Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus, Antipluralismus – das sind weiterhin ihre Kennzeichen. In Celle treten sie mehrmals im Jahr mit Infoständen in Erscheinung. Sie beteiligen sich auch an Neonazi-Aufmärschen, wie z.B. jedes Jahr im August in Bad Nenndorf. Sie haben auch selber schon Aufmärsche hier in Celle organisiert. Sie sind auch mitverantwortlich für die immer wieder stattfindenden Neonazi-Treffen auf dem Hof des NPD-Aktivisten Joachim Nahtz in Eschede. Kenner der Szene meinen, dass es die größten Zusammenkünfte von Neonazis im norddeutschen Raum sind.

Florence: Wie versuchen Neonazis die Jugendlichen anzusprechen?

Wilfried Manneke: Viel läuft über Musik. Gerade weil Musik eine starke emotionale Wirkung hat, nutzen Neonazis Musik, um junge Menschen anzusprechen. Ihre Musikrichtungen unterscheiden sich nicht von anderer Musik. Die Texte machen aber den Unterschied. Es sind häufig sehr menschenverachtende und hasserfüllte Texte. Leider sind diese Texte für manche Jugendlichen sehr verführerisch. Hier ein Textbeispiel aus Lied "Belsen" der Gruppe Kommando Freisler "Geheime Reichssache:

"In Belsen, in Belsen, da hängen sie an den Hälsen ...
In Buchenwald, in Buchenwald, da machen wir die Juden kalt ...
In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind ...
Der Rabbi, dieses alte Schwein, der kommt dann in den Ofen rein."

Was für ein furchtbarer Text.

Weil Werbung durch Musik so verführerisch ist, verteilen Neonazis kostenlos Schulhof-CDs mit rechtsextremen Inhalten, auch in Celle. Vor folgenden Schule sind bereits solche CDs verteilt worden:
  • Hermann-Billung-Gymnasium
  • Schulen in der Burgstraße
  • Berufsschulzentrum Altenhagen
Doro: Warum haben rechte Gruppierungen heute immer noch so viel Zuwachs?

Wilfried Manneke: Neonazis treten gerne als Kümmerer auf. So sammeln sie die Entmutigten und Perspektivlosen. Es sind meistens Jugendliche, die keine Lehrstelle bekommen haben, die um ihren Arbeitsplatz bangen oder für Hungerlöhne schuften müssen. Ihnen versprechen die heutigen Nazis Unterstützung, z.B. indem sie fordern: „Ausländer raus!“ Diese Forderung ist aber keine Lösung. Diese Forderung ist nichts anderes als eine menschenverachtende Kampfansage. Deshalb müssen wir ihre Angriffe abwehren – in den Parlamenten, auf den Straßen, in den Schulen, Betrieben und Kasernen. Die Rechtsextremen gewinnen, wenn wir ihnen tatenlos zusehen. Sie gewinnen, wenn wir uns nur empört abwenden, statt ihnen entgegenzutreten. Neonazis sind heute in vielen Bereichen aktiv. Sie versuchen in den Sportvereinen, junge Leute gewinnen. Sie laden zu Abenteuern ein. Sie versprechen eine schützende Gemeinschaft. Leider haben sie damit immer wieder Erfolg.

Imke: Zum Schluss bleibt noch eine Sache, die wir noch wissen wollen: Was kann ich selbst gegen Rechtsextremismus tun?

Wilfried Manneke: Wachsam sein! Was tut sich in meinem Umfeld? Höre ich da etwa fremdenfeindliche oder sogar rassistische Äußerungen? Wie wird über Behinderte gesprochen? Wie wird über den Holocaust geredet? Werden die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost? Wenn ich merke, dass sich da etwas anbahnt, sollte man es sofort thematisieren, andere darauf aufmerksam machen und mit den Lehrern darüber reden. Es gibt in Celle und Umgebung auch vier Initiativen gegen Rechtsextremismus. Bezieht sie mit ein, denn gemeinsam sind wir stark.

Evangelische Jugend Celle